Eine aktuelle Branchenstudie untersucht die Haupttreiber der rasanten Entwicklung von B2B- und Lösungsplattformen. Dass die Covid-19-Pandemie den Digitalisierungsturbo gezündet hat, ist klar. Homeoffice, Webkonferenzen, Collaboration – die Clouad-Branchenrekorde überschlagen sich. Selbst die öffentlichen Verwaltungen haben mittlerweile IT-Lösungshorizonte von Wochen statt Jahren.
Ein guter Teil davon ist überhaupt erst möglich geworden durch das, was die Wirtschaftswissenschaften „Plattformökonomie“ nennen: digitale Marktplätze und B2B-Drehscheiben. Sie stehen im Fokus der neuen Ingram-Micro-Studie „Cloud Technology: The State of the Channel Report“. Wie man die Entwicklung auch betrachtet: Der Channel ist für Reseller, Managed Service Provider und Lösungsanbieter aller Art schon jetzt praktisch unverzichtbar – und seine Rolle dürfte noch wichtiger werden. Die Studie leitet das bevorstehende „Golden Age of the Channel“ aus vier Entwicklungslinien ab, die sich in einem Punkt treffen: in digitalen Vertriebs-, Handels- und Kooperationsplattformen.
1. Eigenakquise als Verlustgeschäft
Erstens ist die Neukundengewinnung auf eigene Faust mittlerweile mörderisch. Die Customer Acquisition Costs (CAC) gehen durch die Decke – hierzu nur ein Gradmesser: „Cloud“ und „Software“ gehören heute zu den teuersten SEA-Keywords. Die logische Folge: Hersteller und Anbieter konzentrieren sich stattdessen mehr und mehr auf den Channel als Mittel der Akquise und der Kundenbindung.
2. Abgehängter Mittelstand
Zweitens konsolidiert sich der Markt, und zwar kräftig. Die Big Four (AWS, Microsoft Azure, Google, Alibaba) streichen momentan fast zwei Drittel (62 %) der gesamten Cloud-Ausgaben ein; allein AWS hält ganze 34 % am boomenden Cloud-Markt – dessen Wachstumsrate liegt derzeit bei 34 %. Hinzu kommen massenhaft Übernahmen: Trello gehört schon seit 2017 zu Atlassian, Accenture hat die Cyber Security Services von Symantec übernommen, Cloudflare die S2 Systems Corporation, Microsoft hat im Mai 2020 Softmotive gekauft, während VMware systematisch vorgeht und sich unter anderem Avi Networks, CloudHealth Technologies, Heptio, Bitnami, Pivotal und Carbon Black gesichert hat. Google konnte Looker gut für sein Multicloud-Management gebrauchen.
Für Endkunden bedeutet das, dass sich ihre Optionen deutlich ausdünnen – sofern die anvisierten Lösungen für mittelständische Unternehmen überhaupt noch in realistischer Reichweite liegen. Und wo finden sie noch finanzierbare Lösungen? Genau: im Channel. Dort können Anbieter und Wiederverkäufer kosteneffektive Lösungspakete schnüren, automatisiert bereitstellen und mit Service punkten.
3. Kooperation und Reichweite
Drittens hat die Corona-Krise zwei Seiten. Einerseits überholen die Cloud-Investitionen heuer erstmals die Ausgaben für Non-Cloud-Ausgaben, andererseits gehen zahlreiche Softwareschmieden und speziell junge Start-ups ein, schon wegen der Personalkosten. Daraus ergibt sich ein Markt, in dem die einzelnen Lösungen weiter auseinanderliegen und durch die genannten M&As die gewohnten Routinen, Kalkulationen, Supports etc. verwirbelt werden. Auch aus dieser Perspektive sind die anbieterunabhängigen Marktplätze des Channels als Drehscheiben für Lösungsanbieter der beste Ausweg.
4. Ökosystem als Inkubatoren
Viertens kommt hinzu, dass der Channel selbst eine Menge dafür tut, seine Cloud-Tech-Ökosysteme zu festigen. Etwa durch Unterstützung der Vertriebspartner mit Krediten oder durch handfeste Solidarität: Ingram Micro hat zum Beispiel Lösungsanbieter, die in der Pandemie kostenlose Testversionen angeboten hatten, für die sinkenden Abonnementverkäufe entschädigt. Außerdem haben relevante Player wie TechData, Ingram Micro, Synnex und ScanSource mehr und mehr kleine, aber vielversprechende Start-ups für sich gewonnen und in sie investiert – nicht durch Kapitalbeteiligung, sondern durch strategische Accelerator-Wettbewerbe wie die Comet Competition der Ingram Micro Cloud, die bereits an 4.400 unabhängige, innovative B2B-Software-Start-ups insgesamt 5 Millionen USDollar ausgeschüttet hat.
Der DACH-Gewinner 2019 ist apoQlar; das Holomedizin-Startup aus Hamburg geht jetzt in die weltweite Endausscheidung gegen Alsid aus Paris und Balbix aus San José in Kalifornien. Sirko Pelzl, CEO von apoQlar, lockt zwar das Preisgeld, immerhin 1 Million US-Dollar, aber er weiß auch um die Stärken von Kooperationen: „Ein großer Vorteil des Ingram Micro Cloud Ecosystems“, sagt er, „ist insbesondere die weltweite Vertriebs- und Serviceunterstützung des Unternehmens für unsere Kunden.“
Material für Channel-Entscheider
Insgesamt ist der 23 Seiten starke State of The Channel Report, gute Englischkenntnisse vorausgesetzt, eine lohnende Lektüre, die in diesen schwierigen Zeiten strategische Orientierung geben kann. „Noch nie zuvor haben sich Anbieter und Unternehmen so sehr auf den Channel für Fachwissen und Problemlösungen verlassen“, konstatiert Eric Gitter, Executive Director Cloud, Security & Software bei Ingram Micro. Wer Entscheidungen über die weitere Ausrichtung von Marketing, und Vertrieb zu fällen hat, wird in dieser soliden Channel-Analyse der Chancen und Möglichkeiten für Hersteller, Partner und Kunden eine belastbare Grundlage finden.