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Bambusfahrräder aus Ghana? Was für eine verrückte Idee!
Nicht für Maximilian Schay und Jonas Stolzke: „Wir wollten immer ein Unternehmen gründen, das nicht klassischen Regeln folgt, sondern Mehrwert schafft – Mehrwert auch für die Gesellschaft.“ Ein Fahrrad aus einem nachwachsenden Rohstoff, kombiniert mit sozialem Engagement und einem hohen Qualitätsanspruch: „Für uns war das ein neues und komplett stimmiges Geschäftsmodell.“

Ein Startup, das sagt, was es tut – und tut, was es sagt

Nicht nur stimmig, sondern auch nachhaltig: my Boo vertreibt heute, nur sechs Jahre nach seinem offiziellen Marktstart, 20 Bambus-E-, City-, Trekking- und Sport-Bike-Modelle, arbeitet europaweit mit mehr als 150 Fachhändlern, beschäftigt in Kiel 50 Mitarbeiter, sorgt im ghanaischen Yonso für 40 Arbeitsplätze, finanziert dort parallel eine Schule und Hunderte Schulstipendien.
Ein Startup, das sagt, was es tut – und tut, was es sagt. Dass die Idee tatsächlich ins Rollen kam, lag aber in erster Linie an dem Yonso Project von Leiter und Gründer Kwabena Danso, der im „ganz kleinen Rahmen“ Bambusfahrräder fertigte – quasi die Vorläufer von my Boo. Nach seinem Studium in der ghanaischen Hauptstadt Accra war er freiwillig in „sein Dorf Yonso“ zurückgekehrt, um vor Ort, mitten im Landesinneren, für gleiche Bildungschancen zu kämpfen. Denn in Ghana „ist Schulbildung ein Privileg, das sich nur die wenigsten leisten
können“.

Mit Maximilian Schay und Jonas Stolzke von my Boo fand Kwabena Danso die perfekten Partner, um das zunächst ausschließlich von Spenden getragene Bildungsprojekt unabhängiger zu machen – und vor allem auch größer zu denken. Von Ghana nach Deutschland. Vom wilden Bambus zu einzigartigen Fahrrädern, deren Erlös zurückfließt in die Schulförderung von Kindern, mittlerweile aus der ganzen Ashanti-Region.

Die Natur führt Regie

Und das Dorf? Zog mit. Von Anfang an. Das war wichtig. Denn der Rohstoff wächst wild in den Bambuswäldern rund um Yonso. Es gibt keine Plantagen und keine künstliche Bewässerung. Die Natur führt Regie. „Erst wenn die Bambusrohre den richtigen Durchmesser für unseren Rahmenbau haben“, sagt my Boo Marketing-Chef Felix Habke, „werden sie mit der Machete von Hand geschlagen“. Die „Turbo“-Pflanzen sind zu diesem Zeitpunkt etwa 20 bis 25 Meter hoch – „was bei deren Wachstum nicht einmal zwei Jahre dauert“.

Zur Fertigung des Fahrradrahmens braucht es dann die sogenannte Rahmenlehre. Das ist ein Metallgestell, in das die Mitarbeiter die über Monate getrockneten Bambusrohre einpassen. „Um die Knotenpunkte der Bambusrohre zu fixieren und so auch das Gestell zu stabilisieren, verwenden wir klassische Hanfseile aus Ghana und Kunstharz aus Spanien“, so Habke weiter. Das wiederum kommt aus recycelten Industrieabfällen. Wenn das Kunstharz getrocknet ist, „werden die Rahmen optisch perfektioniert“ – also Unebenheiten im Bambus begradigt und die Knotenpunkte geschliffen, poliert und lackiert. Alles von Hand. Alles in Yonso. Das gilt auch für die Qualitätskontrolle. Felix Habke: „Dadurch stellen wir sicher, dass später jeder Zweiradmechaniker an unseren Fahrrädern arbeiten und Inspektionen durchführen kann.“

Zweimal im Jahr geht eine Lieferung von ein paar Hundert Rahmen ins 6.500 Kilometer entfernte Deutschland. Vom Schlagen des Bambusrohrs bis zum Verladen in die Container braucht es etwa 80 Stunden Handarbeit. Die my Boo Manufaktur in Kiel, ein Meister- und Ausbildungsbetrieb, übernimmt dann den Rest – was je nach individueller Ausführung noch etwa vier bis zwölf Stunden dauert. „Sind eben alles Unikate“, gefertigt in Einzelplatzmontage.

Ein Werkstoff, der sich auch noch gut fährt

Wie sich „der Bambus“ nun auf deutschen Straßen fährt, lässt Felix Habke gleich einen Gang höherschalten: „Er ist stabil und komfortabel wie Stahl, aber leicht und verbindungssteif wie Aluminium – und er bringt eine natürliche Dämpfung mit.“ Wer also auf Kopfsteinpflaster fährt, merkt kaum Vibrationen. Bambus ist einfach ein „wahnsinnig guter Werkstoff für Fahrradrahmen“, der technisch hervorragend funktioniert, extrem schnell nachwächst, dann auch noch CO2 speichert und – was natürlich auch immer zählt – verdammt cool aussieht.

Alles richtig gemacht, my Boo? „Ja“, sagen Maximilian Schay und Jonas Stolzke, „wir sind gerade ganz zufrieden, wie es sich so entwickelt“. Die Nachfrage nach den Bambus-Bikes, der Aufbau der fairen Wertschöpfungskette, das Engagement der Teams in Deutschland und Ghana, die Wirkungskraft des Yonso Projects mit der Model School, die Schulweg-Initiative mit UNICEF ... „Dass wir mit unserem Business so viel Gutes tun können, ist am Ende des Tages unser größter Gewinn!“

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